Dietmar Mühr, 31.10.2018
Vergangene Woche war ich für zwei intensive Tage auf der Orgatec 2018 in Köln, der Biennale der Büromöbel-Branche. Als regelmäßiger Besucher dieser „Leitmesse“ mit vielen Kunden und Geschäftsfreunden in der Büromöbelbranche, wirkt sie immer wie ein großes Familientreffen„Das einzige was mir bei der ganzen Messe hängen geblieben ist, ist die Transformation von Haworth …“Berliner Innenarchitektin. Daher machte es dieses Jahr großen Spaß zu sehen, wie stolz alle auf die Erfolge und Veränderungen ihrer Unternehmen und insgesamt auf die florierende Branche waren.
Mit der Leitidee Culture@Work wollte die Orgatec in diesem Jahr zeigen, „was denkbar und machbar ist“. „Die Orgatec hat den Wandel von einer reinen Produktschau hin zu einem themenorientierten Business-Event erfolgreich vollzogen“, so Koelnmesse Geschäftsführerin Hamma. Diese Fokussierung auf inhaltliche Themen scheint auch angebracht, denn die Messe ist für jeden Neuling die Messe der Copycats - kaum eine Idee, die nicht von vielen anderen unmittelbar kopiert wird. Klassisches und deutlichstes Beispiel: Das Sofa „Alcove“ der Gebrüder von Ronan & Erwan Bouroullec von Vitra ist in kleinen Abwandlungen als neue Kategorie inzwischen bei jedem Hersteller vertreten. Fazit: Die Marken können sich auf der Produktebene nur wenig differenzieren. Umso wichtiger ist die Fokussierung auf inhaltliche Themen und auf die Inszenierung der Marke am und durch den Messestand. Einigen ist das weniger gut gelungen, wir etwa K&N, die mit lauten, typographischen Plattitüden klar machten, dass Sie dem Diskurs um „New Work“ eigentlich nicht folgen können. Haworth war dieses Jahr Vorzeigebeispiel, da mit Patricia Urquiola ein Showroom mit überaus hoher Aufenthaltsqualität präsentiert wurde und der darüber hinaus mit einer Digitalisierungsoffensive von intelligenten Tools aufwartete. Über 15.000 Besucher wollten den relativ kleinen Haworth-Stand gar nicht mehr verlassen. Vitra bespielte natürlich als Platzhirsch wieder die ganze Halle 5.2 und hatte mit einem 5m hohen Schriftzug „WORK“ aus Wellblech nicht nur das zentrale #instagramable Motiv der Messe geschaffen, sondern wirkte wie der Drehpunkt der gesamten Szene. Inszenierung versus Langeweile - genüsslich konnte man Antipoden der Messeinszenierung studieren. (Warum präsentieren sich Klassiker wie Wilkhahn eigentlich immer auf einer Pläne hinter beigen Spanplatten?)
Am Dienstagnachmittag gab es einen, vom IDZ Berlin organisierten Rundgang entlang einiger polnischer Möbelmarken. Er offenbarte, wie sehr die Polen schon auf Augenhöhe gleichgezogen haben; längst nicht mehr nur verlängerte Werkbank und OEM-Hersteller, sondern mit designorientierter Markenstrategie und eigenen polnischen Design-Stars wie Rygalik oder Kuczinski.
Die Autorinnen Esther Strerath und Sara Krüger sagen „Büromöbel sind sexy!“ (Die Welt, 25.10.2018) und haben sehr treffend sechs Trends ausgemacht:
Pop & Polster
Hallo Sofa!
Bye bye Boss-Büro
Der Kicker kickt nicht mehr
Agilität
Homely office statt Homeoffice
Dem hätte ich nur noch „Mute the Office“ hinzuzufügen, eine Offensive von Systemen, Zellen oder Flächen für eine bessere Akustik im Großraumbüro.
Übereinstimmend sollen die Aussteller die hohe Qualität der Fachbesucher gelobt haben, sagt die Orgatec: Nutzer mit hoher Entscheidungskompetenz sowie Vertreter der Immobilienwirtschaft, ein großer Anteil junger Leute, Architekten, Innenarchitekten, Designer und Start-Up-Gründer, Händler und Entscheider aus dem Mittelstand sowie Führungskräfte aus Großkonzernen. An der schieren Menge der Besucher war das auch zu spüren. Darüber hinaus lobe ich die hohe ästhetische Qualität der Präsentationen auf der Oragtec, mit der sie zu einer echten Design-Messe avanciert ist. Die nächste Orgatec findet erst vom 27. bis 31. Oktober 2020 wieder statt - I’ll be back.