Am 17. Januar waren wir wieder auf der Internationalen Möbelmesse IMM in Köln unterwegs. Besonders interessiert hat uns die Küchenmesse LivingKitchen im Rahmen der IMM. Ein intensiver Gang über diese Messe offenbart auf dramatische Art und Weise, woran die ganzen Branche krankt: Es ist die Messe der Copycatscopycat (Cambridge dictionary) /ˈkɒp.i.kæt/ child's word // someone who has few ideas of their own and does or says exactly the same as someone else.. An allen Messeständen ist das selbe zu sehen, wenn man das Logo oder den Namen des jeweiligen Ausstellers nicht mehr vor Augen hat, weiß man nach kurzer Zeit nicht mehr, auf welchen Messestand man sich eigentlich befindet. Produktportfolio, Oberflächen und sogar die Kommunikation sind uniform. Woran liegt das?
Man muss sich nur anschauen wie sich die Küchenindustrie in den letzten 10 Jahren entwickelt hat und wo die Schwerpunkte gesetzt wurden: Automatisierung, Roboterisierung, Lieferfähigkeit, Losgröße eins. Die Hersteller, die in diesen Disziplinen gut und schnell waren, konnten im Markt bestehen und dem Kostendruck standhaltenIm Möbelhandel kontrollieren 0,3% der Unternehmen rund 54% der Branchenumsätze!. Markenaufbau und Design-Exzellenz wurden dabei vernachlässigt. Design und Marke interessieren aber auch die nachgelagerte und hochkonzentrierten Handelslandschaft der Bundesrepublik nicht. Eine starke Marke wird von den großen Einkaufsgenossenschaften nicht gewollt - man setzt auf Handelsmarken um unabhängig zu sein - und Design wird von dem Einkäufer des jeweiligen Handelsriesen aus der Lamäng entschieden. Was dazu führt, dass die Verbände und Einzelhandelskonzerne sich wie ein Filter zwischen Industrie und den Kunden-Geschmack legen. Das Neue kommt gar nicht bei uns an.
Kurz zum Hintergrund: Laut PwC-Studie "Die deutsche Möbelbranche" von 11/2017 erzielen im Möbelhandel nur 0,3% der Unternehmen rund 54% der Branchenumsätze! Auf der einen Seite ist der Markt der Möbel-PRODUZENTEN stark zergliedert, die kleinen Möbelhersteller spezialisieren sich fast immer auf eine spezielle Möbelgruppe. Zu anderen ist der deutsche Möbel-HANDEL strategisch in Einkaufsverbänden streng organisiert und erlangt so eine fast monopolistische Marktposition gegenüber der Produktionsseite. In Kombination mit der zunehmenden Bedeutung von Online-Vertrieb, geraten die Produzenten immer mehr in Abhängigkeit.
Aber das haben sie jetzt davon. Bulthaup ist fast der einzige deutsche Küchenhersteller, der konsequent auf Marke setzt und mit einer eigenen Designsprache agiert - aber der stellt in Köln nicht aus. Alle müssen nach Italien schielen, etwa zu Boffi, und nachschauen, welche neuen Trends Patricia Urquiola und Kollegen dort gesetzt habenWenn es um Innovationen oder Trends geht, ist man komplett abhängig von den Beschlagherstellern und Zulieferern.. Dann heißt es möglichst schnell "abkupfern". Oder man guckt einfach direkt bei seinem Nachbarn in Ostwestfalen ab und macht dem das Geschäft mit seiner neuen Idee gleich kaputt. Überhaupt: Wenn es um Innovationen geht, ist man komplett abhängig von den Beschlägeherstellern Blum oder Grass (beide Österreich). Weil zumindest funktionale Innovation an niederkomplexen Kastenmöblen aus Spanplatte sich ausschließlich über neue und diffizile Möbelbeschlagskonzepte realisieren lässt. Da hilft auch nichts, wenn auf den Blum-Beschlag der eigene Name als Plastikschildchen aufgeklebt wird. Ebenfalls bei den Oberflächen ist man weitgehend auf Zulieferer (Egger, Pfleiderer, o.ä.) angewiesen.
Wenn es zur Kommunikation kommt wird es komplett öde, man agiert mit uralten Logos aus dem letzten Jahrhundert - es scheint, als nutzten alle dieselben Stockfotos. Und wenn man eigene Fotos schießt, dann wird akribisch darauf geachtet, dass man auch die 90er-Jahre Stockfoto-Ästhetik ordentlich hinkriegt ... (Und was bitte bedeutet in OWL "Science Fiction vs. Urban Living"?)
Interessant auch der Email-Newsletter ambista by Köln Messe vom 30.01.2019. “Wichtigste Trends der LivingKitchen” werden hier benannt, die sich aber auf Belüftungssysteme, Kühlschrank, Backofen, Küchenarbeitsplatten, Küchenarmaturen, Spülen und das Thema Smart Kitchen usw. beziehen. Also auf Themen der Zulieferer, die die Küchenmöbelindustrie nicht mitgestaltet hat. Der einzig zitierte, echte Trend, der auch eine gesellschaftliche Veränderung anzeigt: “Verschmelzung der Wohnbereiche im gesamten Einrichtungsbereich. Der wohl bemerkenswerteste Vorteil ergibt sich aus der Zusammenlegung von Küche und Wohnbereich.” Ich erlebe die Renaissance der Küche als Aufenthaltsraum aber schon seit den späten 1970er Jahren. Mit der Frankfurter Küche wurde dieser Raum in den 20er Jahren als Arbeitsmaschine geprägt und die darin wirkende Frau aus der Familie herausgelöst. Davor war, bis ins frühe 20.Jahrhundert, die Wohnküche oft der einzig beheizte Raum und immer Mittelpunkt des Familienlebens. Aus vielerlei Gründen kehren wir jetzt dahin zurück. Hey, Jona Lewie hat schließlich 1980 schon gesungen: “But you will always find me in the kitchen at parties”.